Christel Wels
Die Kriegsschicksalsjahre
der Zwillinge
Christel und Alice Faust
in Ostpreußen 1945 - 1948
Kart., 180 Seiten
Preis: 12,90 Euro zuzügl. Porto
Erhältlich beim Strammverlag
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Christel Wels, geb. Faust aus Groß Pöppeln im Kreis Labiau, Ostpreußen, am Kurischen Haff, beschreibt das Schicksal ihrer Familie in den Jahren 1945 bis 1948 im seit 1945 russischen Teil Ostpreußens. Unbeschreiblich Schlimmes haben die Zwillinge Christel und Alice, ihre Mutter sowie die Geschwister Elfriede und Gerhard erleiden müssen. Jahre, die für das ganze Leben prägend waren und Geschehnisse, die erst im Laufe der Jahrzehnte aufgearbeitet werden konnten. Eine Dokumentation die es wert ist, von vielen Menschen gelesen zu werden.
Man kann das Erlebte in einem Satz zusammenfassen:
Aus dem Inhalt:
Zum Geleit
Dieses Buch beginnt in der Zeit, als Ostpreußen noch die östlichste Provinz des deutschen Reiches war. Zu der Zeit undenkbar, dass dieses sich so rasch ändern könnte, dass 700 Jahre deutsche Geschichte ein jähes Ende finden würden. Es wird die Zeit zwischen 1945 und 1948 beschrieben, die schrecklichen Erlebnisse der Familie Faust während der Flucht und ihrer Not leidenden Jahre unter den Russen. Ausgangspunkt ist Groß Pöppeln im Kreise Labiau. Dieser Kreis liegt an der Südostecke des Kurischen Haffs. 1939 wohnten dort ca. 51.000 Menschen, die Kreisstadt Labiau hatte ca. 6500 Einwohner.
Groß Pöppeln, das Dorf aus dem die Autorin stammt, liegt ca. 6 km von Labiau entfernt. Dort lebten ca. 200 Menschen.
Die Kriegszeit war bereits durch Entbehrungen gekennzeichnet. Das Schlimmste jedoch waren die Verluste der männlichen Familienangehörigen, die ihr Leben an irgendeiner Kriegsfront verloren hatten. Kaum eine Familie blieb verschont und somit waren das Leid und die Trauer ständige Begleiter in den Dörfern und Städten. Bereits in den letzten Monaten des Jahres 1944 munkelte man hinter vorgehaltener Hand über die Möglichkeit der Flucht. Nur öffentlich aussprechen durfte das niemand. Der nationalsozialistische Gauleiter Erich Koch hatte bei Todesstrafe verboten, die Wohnorte zu verlassen, obwohl der Geschützlärm bereits in der Ferne deutlich zu hören war. So stand bereits das Weihnachtsfest 1944 unter keinem guten Vorzeichen. Doch es wurde noch, wie man später wusste, ein letztes Mal in der Heimat in der fest gefügten Dorfgemeinschaft gefeiert.
Im Kreis Labiau wurde sehr spät, zumeist um den 20. Januar 1945, oftmals in den frühen Morgenstunden, der Räumungsbefehl gegeben. Alle Bewohner hätten sich unverzüglich vor der ganz nahen Roten Armee in Sicherheit zu bringen. Es traf die meisten nicht unvorbereitet, sie hatten sich bereits darauf eingestellt, hatten Wertgegenstände vergraben oder eingemauert.
In diesen frühen Morgenstunden machten sie sich mit ihren Habseligkeiten, mit Pferd und Wagen bei minus 20 Grad Celsius auf den Weg. Die Stadtbevölkerung versuchte, wenn es irgend ging, noch mit der Bahn aus dem Kessel Ostpreußen herauszukommen. Das Chaos muss unbeschreiblich gewesen sein. Viele Fuhrwerke kamen oft nicht weiter, denn auch Militärfahrzeuge, die absoluten Vorrang hatten, waren unterwegs. Straßen und Wege waren schmal und der Schnee lag hoch. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass zahlreichen Menschen die rechtzeitige Flucht nicht gelang und sie unter schlimmsten, kaum vorstellbaren Bedingungen, in der Heimat verblieben. Viele wurden durchs Land gehetzt, von Kolchose zu Kolchose, zu Zwangsarbeit getrieben, wurden immer wieder vergewaltigt, oder man ließ sie verhungern, denn Lebensmittel — hier ,Produkte' genannt — bekam nur, wer arbeiten konnte; bei Krankheit standen die hilflosen Menschen immer mit einem Bein im Grab, denn Hilfe gab es für sie nicht. Selbst der aufmerksame Leser dieses Buches wird sich in der letzten Konsequenz nicht vorstellen können, was damals alles passiert ist, es sei denn, er hat es selbst mitgemacht.
Selten nur wussten die Betroffenen, wo genau sie sich befanden. Deutsche Schilder waren längst entfernt worden. Außerdem fanden fast alle Transporte nachts statt.
Die leidvollen Stationen der Familie Faust hatten, so kann man annehmen, zumeist im Kreis Labiau gelegen. Es waren deutsche Güter, die zu Kolchosen umfunktioniert wurden. So ging es, es gelang nur einige Stationen aufzuzeichnen, über Goltzhausen, Bärwalde, Schakaulack, Groß Droosden, Legitten und Tapiau nach Heinrichswalde im Kreis Elchniederung. Dort lag wahrscheinlich auch die letzte Station, die kleine Kolchose, von der aus die Ausreise erfolgte. Dem Bericht zuzuordnen sind diese Orte zumeist nicht.
Die Familie Wels hat Schreckliches erlebt und man fragt sich, wie man das überhaupt überstehen konnte. Die Autorin und ihre Schwester geben uns selber — unwissentlich — die Antwort. Beide sind gläubige Christen. Mehrmals im Text beschreibt Frau Wels, wie sie allein, oder zusammen mit der Mutter und Schwester, Trost, Zuflucht und Hilfe im Gebet fand.
Es ist gut, dass Frau Wels und ihre Schwester ihre furchtbaren Erinnerungen mit uns geteilt haben. Nur so wird man sich dieser Zeit stellen können. Nicht, um erneut die Messer zu wetzen, sondern um einander die Tränen abzuwischen!
Heimat? Ja, was ist Heimat? Für die Ostpreußen ist es das Land der „dunklen Wälder und kristall'nen Seen”, wie Frau Wels in ihrem Schlusswort schreibt.
Heimat sind Geräusche, sind Gerüche und Stimmen. Heimat ist der Klang des Windes in den Bäumen, die Weite des Himmels. Vieles davon ist bis jetzt geblieben, vieles ist aber auch jenen Menschen zur neuen Heimat geworden, die u.a. 1947 aus Russland in die neue Oblast Kaliningrad kamen, sich hier eine neue Zukunft aufzubauen. Was mag aus der kleinen Tochter des Brigadiers geworden sein, der eine „Nemzi”, die Mutter von Christel und Alice, auf die Welt geholfen hatte? Ist sie dort sesshaft geworden, in diesem kleinen Stückchen Deutschland, das von den Russen okkupiert wurde und plötzlich ein Teil Russlands sein sollte, so als hätte man einem Osterhasen ein Weihnachtsmannkostüm übergezogen, bzw. eines von „Väterchen Frost”? Man kann eine Bevölkerung unterjochen, man kann sie ausrotten oder vertreiben, aber man kann ihr nicht die Heimat nehmen, genauso wenig wie man einer Landschaft, einer Region, seine Geschichte nehmen kann.
Wir müssen zwischen gestern und morgen unterscheiden. Was gestern geschah ist auch heute wichtig zu wissen, denn heute müssen wir entscheiden, was morgen geschehen soll. Gern wollen wir den heutigen Bewohnern des „Bernsteinlandes”, jener kleinen russischen Exklave die Hand reichen, gemeinsam mit ihnen neue Brücken bauen.
Das geschieht bereits, seitdem es möglich ist ins nördliche Ostpreußen zu reisen. Die ehemaligen Bewohner helfen wo sie können, dieses wunderschöne Land, ihre Heimat, zu neuer Blüte zu bringen. Das ist ein schwieriges Unterfangen, denn sie fanden ihre Heimatorte in desolatem Zustand, oftmals auch gar nicht mehr vor. Z.B. sind im Großen Moosbruch im Kreis Labiau mehr als 30 Ortschaften buchstäblich von der Landkarte verschwunden, die Natur hat sich alles zurückerobert.
Es sind im Laufe der Jahre viele positive Kontakte entstanden, auf privater Basis und auch mit den Administrationen. Es werden teilweise sogar die deutschen Städtewappen wieder geführt. Für Polessk, wie Labiau heute heißt, trifft das auch zu. Auch das Interesse an der Historie des Landes wächst bei den jungen Menschen. Eine gute Plattform, um die gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten, gemeinsam dafür zu arbeiten, dass niemals wieder solch schreckliche Dinge passieren, wie sie Christel Wels und tausende andere haben erleben müssen! Der Mensch ist ein sehr verletzliches Geschöpf. Seine enorme Kraft zieht er einerseits aus seinem Vermögen zur Kommunikation und Kooperation, andererseits aus der notwendigen individuellen Freiheit des Einzelnen. Ist eine dieser Bedingungen gestört, sind seine sozialen Strukturen zerstört oder ist sein persönliches, freies Schaffen behindert oder gar gänzlich unterdrückt, dann Gnade uns Gott! Berichte wie dieser machen uns einmal mehr deutlich, zu welchen Taten Menschen fähig sind!
Als ein sogenanntes „höheres Wesen” sollten wir dazu fähig sein, gemeinsam um das Überleben auf diesem Blauen Planeten zu arbeiten, denn eine andere Heimat wird sich für uns alle so schnell nicht finden lassen!
Brigitte Stramm
Vorwort von Christel Wels, geb. Faust aus Groß Päppeln
Heute ist Sonntag, der 20. Juli 2010 und ich lese das Buch „Freiwild". Auch das Buch „Warum war ich nur ein Mädchen" habe ich gelesen. Beide Bücher haben auch in mir Erinnerungen geweckt, die ich ein Leben lang nicht vergessen kann. Ja, warum war ich nur ein Mädchen? Als die Rote Armee die ostpreußische Grenze durchbrach begann für uns Frauen und Mädchen die Hölle. Der Mordlust der blutrünstigen Horde der Roten Armee waren wir rechtlos ausgeliefert.
Ja, warum war ich nur ein Mädchen? Auch ich habe 2007 ein Buch geschrieben — „Der unvergessene Weg". Über 60 Jahre sind nun vergangen, bis ich den Mut hatte, über die Gräueltaten der Roten Armee zu schreiben. Warum nur haben wir solange geschwiegen? Heute kann ich diese Frage beantworten. Wer hätte uns je geglaubt, was wir in den Jahren des Zusammenbruchs hatten durchmachen müssen? — Niemand, da die Gräueltaten der Roten Armee nicht zu beschreiben sind. Und auch aus Scham haben wir geschwiegen. Heute, nach über 60 Jahren, haben viele Frauen und Mädchen diese Tür, die solange verschlossen war, aufgestoßen, denn das Erlebte kann man nicht vergessen. In all den 80 Jahren, die mir der Herrgott geschenkt hat, blieb diese Zeit immer gegenwärtig. Es ist gut zu wissen, dass viele der geschändeten Opfer jetzt den Mut haben, über ihr Erlebtes zu berichten, denn diese Gräueltaten der Roten Armee gehören auch zur deutschen Geschichte. So war unsere Befreiung — wir wurden wirklich von allem befreit. Deshalb habe ich mich jetzt entschlossen, ein zweites Buch zu schreiben: „Wir hatten immer Angst — Die Kriegsschicksalsjahre der Zwillinge Alice Skiendziel und Christel Wels, geb. Faust."
Dieses Buch widme ich den nachkommenden Generationen als Mahnung.
Nie wieder einen Krieg, denn einen humanen Krieg gibt es nicht.